in Publikumsschwund

Das amerikanische Mega – Stadium als Volkskirche

Sofi-Stadium, Los Angeles/USA. Foto: Bobak Ha’Eri, Wikimedia File:2023-0109-CFPtitlegame Pre-Game view Press Box.jpg – Wikimedia Commons https://share.google/Qqy3lxAswK7qwQjAh

Die vorliegende Zusammenfassung basiert auf einem Artikel aus dem New Yorker Magazin mit dem Titel „How the Sports Stadium Went Luxe“ in der Ausgabe vom 1.12.2025.

Der Artikel beleuchtet den tiefgreifenden Wandel des modernen Sportstadions von einem ehemals funktionalen, öffentlichen Bauwerk zu einem hochgradig privatisierten Luxuspalast, der auf maximale Einnahmen ausgerichtet ist.

Dieser Wandel begann im April 1966 mit der Eröffnung des Astrodome in Houston, welches damals das weltweit einzige überdachte Stadion war. Roger Angell, ein Sportjournalist für das Magazin, besuchte die Arena. Seine Aufmerksamkeit wurde vom Spiel abgelenkt durch die futuristische Umgebung, darunter orangefarbene Platzwart-Anzüge, regenbogenfarbene Sitzreihen und den ersten synthetischen Rasen, AstroTurf. Am aufdringlichsten empfand Angell die vier Stockwerke hohe Anzeigetafel für die Punkteanzeige. Das Astrodome, dessen Bau über dreißig Millionen Dollar kostete, revolutionierte die Stadionkonzeption.

[Anmerkung des Autors: Während meines Studiums in Houston/TX 1980 war ich zu einem Konzert von Steve Wonder im Astrodome. Ich erinnere mich nicht an viel. Die Luft war Marihuana-geschwängert und regelmäßig kreisten neue Joints.]

Obwohl die grundlegende Struktur des Astrodome konventionell war und den öffentlich finanzierten Multisport-Stadien der Ära ähnelte, unterschied es sich durch gepolsterte Sitze für alle Besucher und vor allem durch die Einführung von Luxus-„Skyboxes“. Der Astros-Besitzer Roy Hofheinz installierte rund fünfzig dieser Logen nahe der Spitze des Stadions und vermietete sie jährlich, wodurch die ungünstigsten Plätze zu den teuersten und begehrtesten der Arena wurden. Angell äußerte sich skeptisch über diese Einrichtungen und schrieb: „I can only say I found them immensely glum — sad, soft caves for indoor sportsmen“.

Der finanzielle Wendepunkt, der das Potenzial von Luxussitzplätzen für die Eigentümer verdeutlichte, kam 1988 mit dem Palace of Auburn Hills, der Heimat der Detroit Pistons. Dort wurden Luxussitzplätze von den oberen Rängen in die unteren Ebenen verlegt und langfristige Suite-Mietverträge eingeführt. Solche Verträge gaben Kreditgebern die notwendige Sicherheit, um die enorm teuren Projekte zu finanzieren, da Einnahmen flossen, bevor ein Stadion überhaupt eröffnet wurde. Dieser Fokus führte in den Neunzigerjahren zu einem Boom neuer Stadien, die eher wie Einkaufszentren gebaut wurden, wobei das Design darauf abzielte, den Umsatz pro Sitzplatz zu maximieren.



Die moderne Eskalation begann 2009 mit dem AT&T Stadium der Dallas Cowboys, das allein durch Luxussuiten jährlich einhundertdreißig Millionen Dollar generiert. Den Höhepunkt dieser Entwicklung stellt das SoFi Stadium in Los Angeles (Heimat der Rams und Chargers) dar. Das Stadion, dessen Baukosten auf fünf bis sechs Milliarden Dollar geschätzt werden und privat von Milliardär Stan Kroenke finanziert wurde, ist das flächenmäßig größte der Liga. Es lehnt sich an sein römisches Erbe an und vermittelt starke „imperial vibes“. Aufgrund der Nähe zur Flugroute zum Flughafen von Los Angeles liegt das Spielfeld ca. 30 Meter unter der Erde.

Premium-Angebote sind für die Finanzierung entscheidend: Obwohl sie nur etwa zwanzig Prozent der Gesamtkapazität des SoFi Stadiums ausmachen, können sie über fünfzig Prozent der Ticketeinnahmen generieren. Im SoFi Stadium können Club-Sitze bis zu zweitausend Dollar und Suiten bis zu fünfzigtausend Dollar pro Spiel kosten.  N.F.L.-Eigentümer müssen Einnahmen aus Namensrechten oder bestimmten Premium-Bereichen nicht mit den Spielern teilen, solange sie zur Tilgung der Stadionfinanzierungsschulden verwendet werden. Da mehr als fünfundneunzig Prozent der Fans die Spiele zu Hause verfolgen, müssen Stadien „erhöhte“ Erlebnisse bieten, um die Reichen anzulocken. N.F.L.-Commissioner Roger Goodell betonte, dass die Liga nicht mit anderen Sportligen konkurriert, sondern mit Tech-Giganten: „Our competitors are Apple and Google“.

Dieser Wandel hat das Stadion von einer „Kathedrale für das Volk“ in einen „Luxuspalast für die Reichen“  verwandelt. Ironischerweise ist das Astrodome, das den Luxus-Trend auslöste, heute selbst verlassen, ohne funktionierende Klimaanlage und Toiletten, ein Opfer des Phänomens, das es freisetzte. Die Gefahr besteht, dass zukünftige Stadien zu reinen Luxusumgebungen werden, insbesondere wenn Fans der oberen Ränge durch „dynamische Preissysteme“ verdrängt werden.

Ein frühes Stadium und Vorbild für heutige Megastadien: das Kolosseum in Rom 
(Foto: der Autor)

Quelle: How the Sports Stadium Went Luxe, The New Yorker,  https://www.newyorker.com/magazine/2025/12/08/how-the-sports-stadium-went-luxe (Paywall; in vielen deutschen Bibliotheken kostenlos verfügbar, auch über die App Pressreader)

Hinweis: die Zusammenfassung des Artikels wurde durch NotebookLM unterstützt.

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